Uraniumfilmfestival und ICBUW-Veranstaltungen in Berlin, Oktober 2025: erfolgreich, anregend, weiterführend

19. November 2025 Publikationen

Das Ganze begann mit der Eröffnungsveranstaltung zum 10. Internationalen UranFilmFestival (IUFF) in Berlin. Sie fand am Abend des 7.10. in der großartigen „location“ des Zeiss-Großplanetariums statt und setzte die (positive) Atmosphäre für die kommenden Tage. Gezeigt wurde – als Gemeinschaftsprojekt der Festivalpartnerorganisationen (ICBUW, IALANA, IPPNW, ICAN, Sayonara Nukes, Friedensglockengesellschaft) –  der sehr beeindruckende Film „Silent Fallout“, der noch einmal am 9.10. zur Aufführung kam; jetzt verbunden mit einem ExpertInnen-Panel.

Für den ICBUW-Kreis ging es mit einer Bootsfahrt auf der Innenstadt-Spree am 8.10. weiter. Sie diente dem vertieften persönlichen Kennenlernen und führte – neben Geselligkeit – zu ersten inhaltlichen Gesprächen. Am Abend gab es den Film „Toxic NATO“, verbunden mit der Buchvorstellung von Srdan Aleksic zu „Uran 238. Das Krebs Geschoss“. Die gut besuchte Veranstaltung erörterte u.a. folgende Fragen:

  • Die Situation in Serbien (Umweltlage; Verhalten von Gesellschaft und Regierung, der DU-Gerichtsprozess von Pancevo);
  • DU-kontaminierte Gebiete (Kroatien u.a.);
  • DU-Einsatzentscheidungen (NATO; Risiko-Bekanntheit?);
  • Rolle der Medien;
  • Lage in Rumänien (Bericht des Veteranen/Aktivisten Dragos Nicolae).

Der 9.10. begann mit einer intensiven Arbeitsbesprechung im ICBUW-/IALANA-Büro Marienstraße 19/20. Aufgabenverteilungen und nächste Schritte/Projekte wurden behandelt – etwa zu den Themen UN-System, Vernetzung, Ukraine und Menschenrechtsschutzverfahren. Einen Höhepunkt bildete der ICBUW-Workshop „Ächtung von Uranwaffen – Hilfe für die Opfer“ [link website-Artikel]. Nach einer Einführung durch ICBUW-Ko-Vorsitzenden Manfred M. gab es Präsentationen zu den Fällen Vacca in Italien, Karisik und Dragos Nicolae Ghita.

Herr Srdan Aleksić präsentierte den wegweisenden Karisik-Fall, das erste serbische Urteil, das einen kausalen Zusammenhang zwischen der Erkrankung eines Bürgers und der Exposition gegenüber abgereichertem Uran (DU) während der NATO-Bombardierungen von 1999 offiziell anerkannte. Er erläuterte, wie der Kläger – ein ehemaliger Soldat, der in Pančevo ohne jegliche Schutzausrüstung eingesetzt war – Lungenkrebs entwickelte, nachdem er in stark kontaminierten Gebieten operiert hatte. Entscheidende Beweise stammten aus einem italienischen Labor, das DU-Partikel im Tumorgewebe nachwies und es dem Gericht ermöglichte, von bloßen Annahmen z

u materiellen Beweisen überzugehen.
Das Gericht stellte fest, dass Serbien es versäumt hatte, selbst grundlegende Schutzmaßnahmen für seine Streitkräfte und die Bevölkerung zu ergreifen, wies das Argument der Verjährung zurück und sprach eine Entschädigung zu. Der Fall hat erhebliche rechtliche, politische und symbolische Bedeutung: Er zeigt, dass Kausalität durch wissenschaftliche Analyse nachgewiesen werden kann, bestätigt die staatliche Verantwortung für Versäumnisse im Schutz und bietet einen Präzedenzfall für ähnliche Fälle in anderen Ländern.

Frau Carmen Marino stellte den Vacca-Fall vor, eines der bedeutendsten DU-bezogenen Urteile Italiens. Sie schilderte die Geschichte von Salvatore Vacca, einem 23-jährigen Soldaten, der in Bosnien in DU-kontaminierten Gebieten diente – ohne ausreichende Information oder Schutzmaßnahmen. Kurz nach seiner Rückkehr erkrankte er an akuter Leukämie.
Im Jahr 2016 befand das Berufungsgericht Rom das Verteidigungsministerium für verantwortlich, da es bekannte Gesundheitsrisiken nicht bewertet und nicht gemindert hatte, und stellte einen Kausalzusammenhang zwischen seiner Erkrankung und der DU-Exposition fest – selbst unter wissenschaftlicher Unsicherheit. Das Gericht sprach eine Entschädigung von 1,8 Millionen Euro zu, der höchsten Summe, die in Italien in solchen Fällen je zugesprochen wurde. Frau Marino betonte die weiterreichenden Implikationen: Hunderte italienischer Soldaten seien betroffen, systematische Verzögerungen bei der Umsetzung gerichtlicher Entscheidungen bestünden fort, und der Fall habe die Anwendung des Vorsorgeprinzips gestärkt. Zudem erläuterte sie die rechtlichen Möglichkeiten für Familien, einschließlich Entschädigungen, Sozialleistungen und der Anerkennung als „Opfer der Pflicht“.

Herr Dragos Nicolae Ghiță gab ein eindrucksvolles persönliches Zeugnis und schilderte seinen Weg von unerklärlichen Herzinfarkten bis zur Diagnose einer seltenen hämatologischen Erkrankung, die mit langfristiger Exposition gegenüber giftigen und radioaktiven Stoffen in Verbindung steht. Als rumänischer Unteroffizier, der im Irak und in Afghanistan eingesetzt war, operierte er in stark DU-kontaminierten Gebieten.
Mit institutioneller Ablehnung im eigenen Land konfrontiert, ließ er unabhängige medizinische Analysen durchführen, die das Vorhandensein von Uran und mehreren Schwermetallen in seinem Körper bestätigten. Trotz offizieller Widerstände setzt er seinen Einsatz für die Anerkennung dienstbedingter Erkrankungen fort und hat Petitionen auf nationaler und EU-Ebene gestartet. Er hob die Bedeutung internationaler Solidarität hervor und dankte Expertinnen, Anwältinnen und Organisationen – darunter ICBUW – für ihre Unterstützung. Seine Botschaft verdeutlichte, dass viele Veteranen in ganz Europa möglicherweise ohne Antworten leiden und dass DU-Kontamination ein grenzüberschreitendes humanitäres und politisches Problem ist, das koordinierte Maßnahmen erfordert.

Die Beiträge verdeutlichten übereinstimmende Punkte – im Hinblick auf die Staatenverantwortlichkeit, die DU-Problemlagen sowie die Kausalität für die Betroffenen und deren Ansprüche. Ko-Vorsitzende Ria V. bot eine Zusammenfassung und Vorschläge zum weiteren Vorgehen, bei dem die Einrichtung eines internationalen Konsultations- und Hilfesystems für DU-Opfer im Mittelpunkt steht.

Der 10.10. war – im Kino in der Königsstadt – dem Leben und Wirken unseres Aktivisten Damacio A. Lopez aus New Mexico gewidmet. Er stellte sein gerade erschienenes Buch „My Last Battle: Ban Uranium Weapons“ vor, in dem er sein unablässiges Engagement für diesen Kampf auf sehr persönliche Art beschreibt. Ihm ist es – im Zusammenwirken mit Ria – zu verdanken, dass es ICBUW überhaupt gibt. Äußerst bewegend war es zu erleben, wie Damacio von Marcia Gomes de Oliveira mit dem IUFF-Ehrenpreis für sein Lebenswerk ausgezeichnet wurde [link IUFF Berlin 2025 Final | International Uranium Film Festival].

An der IUFF-Abschlussveranstaltung am 11.10. (wieder) im Großplanetarium nahmen die beiden Ko-Vorsitzenden teil. Es wurden zwei erschütternde Filme über die Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki gezeigt, die schon zum damaligen Zeitpunkt schwerste Völkerrechtsverbrechen darstellten. Vor diesem Hintergrund und dem der Oktoberwoche insgesamt ist klar, dass die Filmarbeit (in Berlin und anderswo) und das ICBUW-Engagement weitergehen werden. Hierzu gibt es neuen Schwung und neue Ideen. Dies zeigte sich bereits bei den unmittelbar anschließenden Veranstaltungen in Leuven, am 3./4.11., maßgeblich organisiert von Ria. Für 2026 ist eine DU-Film- und Diskussionsveranstaltung auf Sardinien geplant…

Manfred Mohr