ICBUW fürchtet den Einsatz von DU und eine verheerende Umweltzerstörung im Krieg in der Ukraine

21. März 2022 Artikel, Blog-Beiträge, ICBUW
Photo: mil.ru

Die Welt steht noch immer unter Schock, was in der Ukraine gerade passiert. Neben den Menschen ist auch die Umwelt unvorstellbarem Grauen ausgeliefert. Krieg und Klima sind Faktoren, deren Korrelation viel zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird. Einerseits aus verständlichem Grund: Wenn Krieg herrscht, ist alles andere zweitrangig im Vergleich zum puren Überleben. Andererseits darf der Aufschrei wegen der Umweltzerstörung nicht ausbleiben, wenn das Land im Nachhinein wieder bewohnbar sein soll! Vor allem, wenn eine Befürchtung von Depleted Uranium (DU) Einsatz begründet ist. Seit Jahren nimmt Russland Uranabfälle aus dem Ausland auf und bunkert es – offiziell um es für die weitere Verwendung als Brennstoff aufzubereiten. Die Einfuhr dieser immensen Mengen ist jedoch definitiv eine (tief-)rote Flagge. Vor allem in Kombination mit dem Einsatz von DU-tragfähigen russischen Panzern.

Die Internationale Koalition zur Ächtung von Uranwaffen (ICBUW) verurteilt den russischen Krieg gegen die Ukraine aufs Schärfste.

Der Krieg in der Ukraine erschüttert die Welt. Die Menschen- und Völkerrechtsverletzungen häufen sich genauso schnell, wie die Zahl der Vertriebenen. Kriege, wie der russische auf ukrainischem Boden, zerstören nicht nur Menschenleben, Gemeinschaften und Städte, sondern auch die Umwelt. Immer mehr Aktivist:innen beklagen das menschliche Leid und die Umweltzerstörung, die durch Russlands unprovozierten Angriffskrieg in der Ukraine versursacht werden. Vor knapp zwei Wochen wurde von über 1.000 Organisationen und Einzelpersonen aus mehr als 75 Ländern ein offener Brief veröffentlicht, in welchem die Solidarität mit dem ukrainischen Volk und Besorgnis über die Auswirkungen des Krieges auf die Umwelt und die Menschen zum Ausdruck gebracht wurden. Die Unterzeichnenden, darunter auch ICBUW, fordern Russland auf, seinen illegalen Krieg zu beenden und seine Truppen abzuziehen und die Kämpfe in der Nähe von Atom- und Chemieanlagen unverzüglich einzustellen. Des weiteren wird eine Aufklärung, ob in der Ukraine Munition mit abgereichertem Uran eingesetzt wird, gefordert.

Denn neben den verheerenden Umweltauswirkungen durch zerstörte Gebäude, beschädigte Abwassersysteme, explodierte Pipelines und beschädigte Industrieanlagen, verschärft sich die Befürchtung, dass in diesem Krieg Uranwaffen eingesetzt werden. CEOBS befürchtet stark, dass die Kontamination durch russische Munition mit abgereichertem Uran zu den giftigen Hinterlassenschaften der Invasion hinzukommen wird. Abgereicherte Uranmunitionen können Eisen leichter durchdringen und hochgiftige Uranpartikel hinterlassen und somit langfristig Gebiete verseuchen. Diese besorgniserregenden Vermutungen beruhen einerseits auf der Ausstattung der russischen Panzer, die in diesem Krieg eingesetzt werden als auch auf der Lieferung von Uran-Tails, einem Nebenprodukt, das bei der Anreicherung von Uran entsteht.

Die giftigen Verbindung – auch Uranhexafluorid genannt – werden von dem in Deutschland ansässigen Anreicherungsunternehmen Urenco an Russland vermittelt. Die Lieferungen wurden 2009 gestoppt, nachdem bekannt geworden war, dass Russland diese unsachgemäß lagerte und somit verheerende Umweltverseuchungen verursachte. Damals beugte sich Rosatom, der russische Atomkonzern, dem Druck und versprach, die radioaktive Substanz nicht mehr zu importieren. 2019 veröffentlichte Greenpeace und die russische Umweltgruppe Ecodefense deutsche Regierungsdokumente, die belegen, dass das in Deutschland ansässige Anreicherungsunternehmen Urenco die Uranschwanzlieferungen wieder aufgenommen und einen neuen Vertrag bis 2022 aufgesetzt hat.

Die Frage, ob es sich bei Uranabfällen tatsächlich um Atommüll handelt, hängt davon ab, wen Sie fragen. Sowohl Rosatom als auch die deutsche Atomindustrie stufen Uranhexafluorid als recycelbares Material ein. Die US-amerikanische Atomaufsichtsbehörde (Nuclear Regulatory Commission) vertritt jedoch seit langem die Auffassung, dass Uranabfälle als Atommüll eingestuft werden sollten – eine Ansicht, die neben ICBUW auch viele weitere Umwelt- und Abrüstungsinitativen unterstützen. Die deutsche Bundespolizei stufte erst im Jahr 2021 die Uranlieferungen als Atommüll ein. Russland behauptet, die Uranabfälle für die weitere Verwendung als Brennstoff aufzubereiten (wobei hierfür strengere Umweltschutzmaßnahmen gefordert werden), jedoch ist das Motiv der Einfuhr von diesen großen Mengen Uran fragwürdig. Nach den meisten Schätzungen verfügt Russland bereits über fast 1 Million Tonnen Uranabfälle aus der eigenen Brennstoffproduktion, so dass der Bedarf an weiteren 12.000 Tonnen aus dem Ausland fraglich ist. Mehr als 90 Prozent des Urans bleibt in Russland.

Erst Anfang März lag das russische Schiff Mikhail Dudin, das Uran von Urenco nach Russland transportiert, in der Nähe von Liverpool vor Anker, um abgereichertes Uran aus der Urenco-Anreicherungsanlage in Capenhurst zu laden und nach Russland zu transportieren. Diese fortschreitende Lieferung von Atommüll an Russland ist für Entsendestaaten eine billige Möglichkeit, große Mengen abgereicherten Urans loszuwerden, indem es als Abfallentsorgung deklariert wird. Unsere Sorge ist jedoch, dass das DU nicht in Sibirien gelagert wird, sondern von Russland für militärische Zwecke verwendet wird. Das Niederländische Nationales Archiv für Kernenergie ‚Laka‘ äußert die Sorge, dass neben der Ausfuhr von Abfällen abgereichertes Uran ein Dual-Use-Gut ist. Dual-Use-Güter können sowohl zivil (für Kernkraftwerke) als auch militärisch genutzt werden.

Russland ist eines der Länder, die abgereichertes Uran in Panzerabwehrwaffen und zur Panzerung von Militärfahrzeugen nutzt, weshalb es nicht auszuschließen ist, dass das von Urenco exportierte abgereicherte Uran im russischen Militärsektor landet. Und momentan somit potentiell in der Ukraine verschossen wird. Damit verstößt Urenco gegen die europäischen Sanktionen, die nach der Annexion der Krim von der EU gegen Russland verhängt wurden. Die Zahl der eingesetzten Panzer im Krieg in der Ukraine steigt und damit auch die Möglichkeit, dass DU von Urenco dort eingesetzt wird. Die Urananreicherungsanlage in Gronau wird auf unabsehbare Zeit keine Uran-Transporte mehr nach Russland vollziehen, da der Vertrag ausgelaufen ist. Aber auch in die Ukraine hat Urenco seit Jahren Uran für ukrainische Atomreaktoren exportiert. Die Münster Anti-Atominitiavtive bezeichnet die Aussagen der Urenco als „sehr besorgniserregend”, ist aber erleichtert zu hören, dass der Vertrag für die Lieferungen nach Russland nicht verlängert wurde. Denn selbst Urenco ist „zutiefst besorgt über die aktuellen Entwicklungen in der Ukraine”, weshalb „alle Lieferungen in beide Richtungen gestoppt wurden”.

Auch wenn keine neuen Lieferungen von Uranhexafluorid an Russland gehen, ist unklar, was mit den bisherigen Lieferungen geschehen ist. Es besteht weiterhin die Sorge, dass russische Panzer mit 125-mm-Munition mit abgereichertem Uran bestückt sein könnten, weshalb Untersuchungen der Wrackteile vorgenommen werden sollten. Wir fordern Russland dringendst auf zu klären, ob seine Streitkräfte Munition mit abgereichertem Uran in der Ukraine abgefeuert oder eingesetzt haben und weiterhin tun.

Nadine-Isabelle Kas, ICBUW Team