Neue wissenschaftliche Artikel zu Golfkriegssyndrom, DU-Nanopartikeln und den problematischen politischen Rahmenbedingungen für das Thema DU

22. September 2020 Allgemein, Artikel, ICBUW

Der Artikel ,,Depleted uranium and Gulf War Illness: Updates and comments on possible mechanisms behind the syndrome‘‘ erschien im Februar 2020 im Environmental Research und wurde verfasst von Geir Bjørklunda , Lyudmila Pivinab, Maryam Dadard , Yuliya Semenovab , Md Mostafizur Rahmane , Salvatore Chirumbolof  und Jan Aasethh.

Er befasst sich mit den toxischen Substanzen, wie unter anderem DU, die im Verdacht stehen, einer der Auslöser für das Sammelsurium an Erkrankungen zu sein, die bekannt sind als Golfkriegssyndrom. Es wird vermutet, dass ein bedeutender Teil der Symptome, die im Rahmen einer Überwachungsstudie bei Veteranen anzutreffen war, als Folge einer mitochondrialen DNA-Schädigung im Körper aufgetreten ist, da den Mitochondrien der Nukleotid-Exzisions-DNA-Reparaturmechanismus fehlt. Diese Schädigung soll auf das Zusammenwirken von mehreren mitochondrialen Mutagenen, DU eingeschlossen, zurückzuführen zu sein.

Uran ist dazu fähig, anfällige Stellen im Körper zu schädigen und hat insbesondere eine nephrotoxische Wirkung. Während des Golfkrieges waren die Soldaten DU meist durch Inhalation ausgesetzt. Eine,,richtige‘‘ Interpretation des Krankheitsverlaufs der Veteranen gestaltet sich jedoch oft schwierig aufgrund verschiedener Störfaktoren wie: Staub, Pestizide, Medikamente, etc.

Ein signifikanter Auslöser für das Syndrom könnte das Zusammenspiel dieser Störfaktoren gewesen sein. Zum Beispiel wurde Pyridostigmin den Soldaten zur Abwehr gegen chemische Waffen verabreicht. Es wird die Hypothese aufgestellt, dass der signifikante Anstieg der Krebsraten im Irak nicht unbedingt auf die DU-Aussetzung, sondern auf die Exposition mit polyzyklischen aromatischen Kohlwasserstoffen (Paks) bei Ölquellenbränden zurückzuführen ist.

Allerdings sei davon auszugehen, dass DU eine additive toxische Wirkung auf die mitochondriale DNA ausüben kann. Der Artikel endet mit der Arbeitshypothese, dass abgereichertes Uran nicht als primärer Verursacher für die Folgeschäden der Golfkriegsveteranen belegt werden kann. Die toxische Wirkung von DU wird jedoch nicht verneint, es ist stattdessen das gesamte Ausmaß der schädlichen Substanzen in Betracht zu ziehen.

Den Artikel erhält man mit einem Hochschulaccounts, andernfalls ist die Beschaffung kostenpflichtig.

Das zweite Papier ,,Nanometer-micrometer sized depleted uranium (DU) particles in the environment‘‘ erschien Januar 2020 im Journal of Environmental Radioactivity und fasst den gegenwärtigen Wissensstand über Partikel von abgereichertem Uran im Nanometer- und Mikrometerbereich in der Umwelt zusammen.

Der Artikel wurde verfasst von Ole Christian Lind, Jochen Tschiersch und Brit Salbu und analysiert freigesetzte DU-Partikel in verschiedenen kristallinen Strukturen und Oxidationszuständen. Uran ist mit abnehmender Anreicherung weniger radiotoxisch, während die chemische Toxizität konstant bleibt, weshalb die toxische Wirkung von DU meist auf die chemische Komponente zurückführen ist.  Es kann in verschiedenen physikalisch-chemischen Formen nachgewiesen werden, welche eine Auswirkung auf den Transfer in die Umwelt haben. Zudem spielt auch die Verwitterungsrate des Urans eine Rolle, die ebenso die Verteilung beeinflusst, da Böden und Sedimente als Senken wirken und die Partikel zurückhalten, wie es in Laborexperimenten beobachtet wurde. Es wurden bereits Hunderttausende von Partikeln mit einigen Milligramm in Böden gefunden, die durch Uranunfälle kontaminiert wurden, weshalb es wichtig ist, nachvollziehen zu können, wie DU sich nach der Aussetzung verhält.

Zusammenfassend wird festgestellt, dass die Eigenschaften von DU-Partikeln und deren Auswirkung durch verschiedene Faktoren beeinflusst werden, wie die Partikelgröße, das Freisetzungsszenario und geochemische Umweltprozesse.

Am 21. Juni 2020 erschien der dritte Artikel mit dem Titel ,,War and the environment: The disturbing and under-researched legacy of depleted uranium weapons‘‘ im Bulletin of Atom Scientists, verfasst von Elena Bruess, Koe Snell und einer Berichterstattung von Madhurita Goswami. Der Bericht setzt sich mit den Auswirkungen der DU-Bombardierungen auf die Zivilbevölkerung im Irak auseinander und informiert über die problematischen politischen Rahmenbedingungen zu DU. Zu Beginn des Artikels berichtet die Umweltingenieurin Al-Azzawi über ihre Recherchen.

Ein beunruhigender Faktor, der Al-Azzawi auffiel, waren die um 60 Prozent angestiegenen Leukämieraten bei Kindern in Basra zwischen 1990 und 1997, welche auf abgereichertes Uran als Schuldigen hinweisen könnten. Außerdem beklagte sie, dass es in den Post-Konflikt-Gesellschaften im Irak und in Syrien an Forschung und Bildung fehle – zudem seien die Aufräumarbeiten der beiden UN-Mitgliedsstaaten, als auch der Betroffenen kläglich gescheitert.

Auch das US-Verteidigungsministerium gelobte bereits 2015 die Verwendung von DU-Munition einzustellen. Trotz dieses Versprechens wurden laut Angaben des Pentagons noch im selben Jahr Tausende von Schüssen mit DU bei Luftangriffen in Syrien abgefeuert. Worauf das zurückzuführen ist, erklärt Doug Weir, Direktor für Forschung und Politik bei CEOBS (Conflict and Environment Observatory):

,,Es kommt auf den militärischen Nutzen an. Die Militärs glauben, dass sie diese Waffe einsetzen müssen, weil sie die bestmögliche Waffe ist, um die feindliche Panzerung zu überwinden, und alle anderen Überlegungen sind heute zweitrangig gegenüber dem militärischen Imperativ sie einzusetzen. ‘‘ (Übersetzung E.B.)

Auch die WHO hat zugegeben, dass Lücken bestehen, was die Recherche zu DU betrifft und gibt aber an keine neuen Studien zu den gesundheitlichen Risiken des Schwermetalles zu kennen, die abweichen würden von den Schlussfolgerungen und Empfehlungen ihres Reports zu abgereichertem Uran von 2001. Es gestaltet sich jedoch sehr schwierig, genaue Studien zu den konkreten Auswirkungen von DU anzufertigen, wie Weir bestätigt:

,,Angesichts des allgemeinen Zusammenbruchs des Gesundheitssystems, der Unterernährung und allem, was damit zusammenhängt, wäre eine epidemiologische Studie, um zum Beispiel Krebs in einer Bevölkerung im Irak nachzuweisen, nahezu unmöglich durchzuführen. Könnten Sie 5.000, 10.000 oder 20.000 Menschen im Irak über einen Zeitraum von 10, 15 oder 20 Jahren verfolgen, bei so viel Binnenmigration und Störungen im Gesundheitssystem?‘‘ (Übersetzung E.B.)

(Eliah Buchholz)