Die Studie untersucht die reproduktionsmedizinischen Langzeitfolgen von Schwermetallen, denen Frauen im Krieg und danach ausgesetzt sind. Sie zeigt einen Zusammenhang zwischen Schwermetallen, die im Rahmen von Kampfhandlungen in Gaza in die Umwelt gelangten und einem Anstieg von Geburtsfehlern und Frühgeburten nach 2006. Dadurch werden die bislang „versteckten Opfer“ des Kriegs zählbar.
Eine neue Studie der Newweapons Research Group zeigt, dass Schwermetalle reproduktionsmedizinische Langzeitfolgen haben können, wenn Frauen ihnen ausgesetzt sind. Die Studie wurde geleitet von ICBUW-Beiratsmitglied Professor Paola Manduca; an ihr beteiligt waren Ärzte und Forscher aus Gaza, Europa und Australien. (http://newweapons.org/?q=node/195). Im Zeitraum von 2006 bis 2010 stieg die Anzahl von Kindern mit Geburtsfehlern im Alter zwischen null und zwei Jahren um circa 50%. Dieser Anstieg innerhalb eines so kurzen Zeitraums deutete auf Umweltfaktoren hin.
Die Studie geht davon aus, dass 2006 Wuchtgeschosse in Gaza eingesetzt wurden. Wuchtgeschosse werden mit Schwermetallen angereichert. Sie durchdringen ihr Ziel mit Hilfe kinetischer Energie, statt zu explodieren. Diese Schermetalle sind dafür bekannt krebserregend, giftig und teratogen zu sein. Zwischen 2006 und 2014 wurden an Einschlagstellen in Gaza Schwermetalle (Aluminium, Molybdän, Wolfram und Quecksilber) gefunden. Diese Metalle kommen auch in Phosphormunitionen vor, die im Rahmen der Operation „Cast Lead“ („Gegossenes Blei“) eingesetzt wurden. Auch im Wundgewebe von Opfern, die durch Amputationswaffen, Karbonisierung und Verbrennungen verletzt wurden, konnten sie nachgewiesen werden. Schwermetalle bleiben langfristig in der Umwelt. Deshalb sind Bewohner des Gazastreifens ihnen langfristig ausgesetzt und nehmen sie durch Haut, Atmung oder Nahrung in den Körper auf.
Der Zusammenhang zwischen weißem Phosphor und Geburtsfehlern bei Neugeborenen wurde durch einen Fragebogen nachgewiesen. Ein Viertel der Mütter, die durch die Lage ihres Wohnorts den Phosphorangriffen während der Operation „Cast Lead“ ausgesetzt waren, brachten Kinder mit Geburtsfehlern zur Welt. Hinzu kommt, dass die Zahl der sogenannten „sporadischen“ Missbildungen beachtlich anstieg. Diese Entwicklung lässt darauf schließen, dass die Geburtsfehler durch äußerliche Faktoren beeinflusst wurden. Schließlich ließ sich im Haar von Neugeborenen, die von Geburtsfehlern betroffen waren, eine höhere Konzentration Quecksilber, Selen (ein teratogenes Metall) und Zinn als im Haar gesunder Neugeborener nachweisen.
Die Studie kommt zu zwei Schlussfolgerungen: Es gibt Indizien dafür, dass es einen Zusammenhang zwischen Schwermetallen, die durch Waffen in die Umwelt gelangen, und Geburtsfehlern gibt. Zweitens zeigt sich, dass Frühgeborene und Kinder, die mit Geburtsfehlern geboren wurden, bereits „in utero“ der Kontamination ausgesetzt wurden. Zurzeit ist noch unklar, ob die Auswirkungen der Verseuchung durch Waffenrückstände in den kommenden Jahren anhalten werden. Laut Newweapons Research Group war die Kontamination in Frauen, die 2014 den Angriffen ausgesetzt waren, am höchsten, obwohl die Kontamination bis 2016 anhielt. Darüber hinaus wurde ein weiterer Anstieg im Vorkommen von Geburtsfehlern zwischen 2011 und 2017 beobachtet. Dabei ist es allerdings möglich, dass neue Umweltfaktoren, wie beispielsweise mangelnde Kanalisation und brennender Müll, diese Tendenz beeinflusst haben. Insgesamt hat der Anstieg des Vorkommens von Geburtsfehlern seit 2011 zusätzlich 1500 Tode in der Form von Stillgeburten und Neugeborenen-Toden verursacht. Diese Zahl übersteigt die Anzahl der Kinder, die 2014 im Krieg unmittelbar umgekommen sind und wirft ein Licht auf die Anzahl der „versteckten Opfer“, die sich nun zählen lassen.